
Wann sind Tag und Nacht gleich lang?
Von der ISS aus betrachtet, liegen Tag und Nacht bei Sonnenaufgang noch näher beieinander … Zugleich sieht man die Erdatmosphäre hier als hauchdünne Schicht, die den Taghimmel für uns auf der Erde erst richtig hell macht.
(Bild: NASA/Don Pettit)
Für das astronomische Ereignis, das den Frühlings- bzw. den Herbstanfang einläutet, gibt es im Deutschen den sprechenden Begriff „Tagundnachtgleiche“: An diesem Datum sollen also Tag und Nacht genau gleich lang dauern – d.h. jeweils 12 Stunden. Ein Blick auf die Sonnenauf- und -untergangszeiten zeigt aber schnell: Exakt haut das nicht hin. Worin liegt also der Unterschied? Und wann sind Tag und Nacht wirklich gleich lang?
Für dieses Phänomen hat sich im englischen Sprachraum ein Begriff eingebürgert: Er lautet „equilux“ und spielt mit dem deutlich länger existierenden Begriff „equinox“, der auch im deutschen Astrojargon noch für die Tagundnachtgleiche verwendet wird: Als Äquinoktium wird der Zeitpunkt bezeichnet, an dem der Sonnenmittelpunkt exakt in der Ebene des Erdäquators liegt. Die Sonne steht dann in der Folge über dem Äquator exakt im Zenit – in unseren Breiten markiert dies den Frühlings- oder den Herbstbeginn. Der Begriff Äquinoktium stammt von den beiden lateinischen Wörtern aequus (gleich) und nox (Nacht) ab – die Nacht ist also (etwa) gleich lang wie der Tag. Weil das streng genommen nicht ganz der Fall ist, entstand im späten 20. Jahrhundert der Begriff equilux – mit dem lateinischen Wort lux für Licht. Hier wird also auf den lichten Tag zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang abgezielt.
Um das ein wenig anschaulicher zu machen, können wir uns die Sonnendaten für den astronomischen Frühlingsbeginn am 20. März 2025 ansehen: In Hamburg geht die Sonne an diesem Tag um 06:22 Uhr auf und um 18:34 Uhr unter. Somit ist die Sonne etwa 24 Minuten länger oberhalb des Horizonts als unterhalb. Nun können wir noch nach dem Tag suchen, an dem der Unterschied zwischen Tag und Nacht so gering wie möglich wird: Für den 17. März finden wir (wieder in Hamburg) 06:29 Uhr für den Aufgang und 18:28 Uhr für den Untergang. In München fällt equilux auf denselben Tag: Hier lauten die Sonnendaten 06:23 Uhr und 18:22 Uhr. Für Deutschland beträgt der Unterschied also gerade mal drei Tage. Doch woran liegt es überhaupt, dass wir einen Unterschied zwischen equinox und equilux beobachten können?

Wie entstehen die Jahreszeiten?
Dass es auf der Erde überhaupt Jahreszeiten gibt, hängt damit zusammen, dass die Rotationsachse der Erde nicht senkrecht auf der Erdumlaufbahn steht. Wer schon mal einen Globus gesehen hat, wird bemerkt haben, dass dieser im Regelfall „schief“ aufgehängt ist. Diese Neigung der Erdachse führt schließlich dazu, dass die beiden Halbkugeln im Laufe einer Sonnenumrundung unterschiedlich viel Licht abbekommen:
Wenn bei uns Sommer ist, trifft mehr Sonnenlicht auf die Nord- als auf die Südhalbkugel. Nach der Sommersonnenwende verschiebt sich der Lichtkegel immer weiter südwärts, bis die Wintersonnenwende eintritt. Dann geht es wieder rückwärts – und immer so weiter. Herbst- und Frühlingsanfang markieren dabei Zwischenstationen.
Im Wesentlichen sind es zwei Gründe, die zu diesem Phänomen beitragen: Um den Frühlings- oder Herbstbeginn zu bestimmen, wird mit dem Sonnenmittelpunkt gerechnet. Die Sonne ist allerdings kein mathematischer Punkt, sondern erscheint uns als ausgedehnte Scheibe: Sonnenauf- und untergang sind dabei als der Zeitpunkt definiert, zu dem die Sonnenoberkante den Horizont berührt. Hinzu kommt, dass die Erdatmosphäre alle Lichtstrahlen etwas umbiegt: Wenn die Sonne von uns aus gesehen gerade den Horizont berührt, wäre sie ohne Atmosphäre bereits gerade untergegangen.
Übrigens ist dieser Effekt stark vom Beobachtungsort abhängig: Während equilux am Nordkap um den 18. März bzw. um den 25. September und an der Küste des Golfs von Guinea bereits Ende Februar bzw. erst Mitte Oktober stattfindet, gibt es einen solchen Termin am Äquator nicht: Hier scheint die Sonne an jeden Tag im Jahr etwas mehr als 12 Stunden – wenn auch nur wenige Minuten.

Dämmerung ist nicht gleich Dämmerung
Je nachdem, unter welchem Winkel der Sonnenmittelpunkt zum Horizont steht, werden verschiedene Dämmerungsstufen unterschieden. Steht der Sonnenmittelpunkt 18° unter dem Horizont, endet die astronomische Dämmerung und die Nacht (im engeren Sinne) beginnt.
(Grafik: Kosmos Verlag)
Übrigens: Wenn man ganz spitzfindig ist, kann man das Spiel spaßeshalber auf die Spitze treiben: Denn wenn man den Begriff equilux sehr wörtlich nimmt, müsste man den Tag herausfinden, an dem uns 12 Stunden lang irgendwelches Sonnenlicht erreicht – auch Dämmerungslicht – und 12 Stunden lang gar keins. Ein komplett ausgedunkelter Himmel ist dann erreicht, sobald die sogenannte astronomische Dämmerung vollständig beendet ist: Per astronomischer Definition beginnt die Nacht dann, wenn der Sonnenmittelpunkt 18° unter dem Horizont steht. Wie lange die Dämmerung dauert, ist neben dem konkreten Tag auch vom Breitengrad des Beobachtungsstandorts abhängig.
Interessanterweise ergibt sich eine Grenzlinie, die ungefähr durch den Breitengrad von Köln verläuft: Zur Wintersonnenwende dauert die astronomische Nacht dort exakt 12 Stunden. (Bei einer lichten Tageslänge von 7 Stunden und 57 Minuten bedeutet dies also, dass auf Morgen- und Abenddämmerung jeweils etwa 2 Stunden entfallen.) Südlich von Köln dauert keine Nacht des Jahres länger als 12 Stunden; in München sind es zur Wintersonnenwende etwa 11 Stunden und 50 Minuten. Nördlich von Köln kann die Nacht dagegen sehr wohl die Oberhand gewinnen: In Hamburg dauert die echte Nacht zur Wintersonnenwende 12 Stunden und 9 Minuten. Eine Nachtlänge von 12 Stunden wird am 6. Dezember 2025 sowie am 4. Januar 2026. Zum Vergleich: Am Nordkap, wo zur Wintersonnenwende für 13 Stunden und 45 Minuten kein Sonnenlicht das Gebiet erreicht, werden die 12 Stunden Nachtlänge zum 17. November 2025 bzw. 24. Januar 2026 erreicht.

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